Der Morgen im Feldlager der Schwarzen Legion glich denen der vergangenen Tage.
Noch bevor die Sonne ihr Licht über die Zelte der Legion fließen ließ, waren die Männer bereits an der Arbeit.
Zelte abbrechen, auf die Lasttiere verladen, Ausrüstung verpacken und die Ochsenkarren bereit machen.
Fünf Kohorten der Legion waren hier stationiert. Zwei waren im Felde, eine bereit zum Verlegen und die restlichen Beiden im Grenzdienst.
Noch früher waren die Männer der VI. Kohorte, der Kavallerie, zu Gange.
Tavus strich im Fackelschein sanft die Flanke seines Pferdes mit dem Striegel aus, während das Tier freudig sein Kraftfutter fraß,
welches alle Pferde bekamen um die Strapazen des Tages zu überstehen.
Nachdem die Stute zu seiner Zufriedenheit gestriegelt war, legte er Satteldecke und den leichten Sattel auf.
Tavus gurtete den Sattel noch nicht zu fest, das würde er erst kurz vor dem Aufsitz erledigen.
Er ließ sie am Halfter angebunden, während er seinerseits die Rüstung anlegte und seine Waffen überprüfte.
Lange wog er den golden schimmernden Helm in der Hand, auf dem eine prächtige blaue Mähne angebracht war.
Gold und Blau, die Farben Tarantias, die Farben des Königs!
"Du kannst dein Glück wohl noch nicht fassen, Tavus Aquilla, Optio der III. Zenturie, VI. Kohorte, der Schwarzen Legion seiner königlichen Hoheit.",
begrüßte ihn ein frech grinsender Soldat, "Und elender Streber, das wollen wir nicht vergessen!"
"Halte deine Zunge im Zaum, Soldat, oder die Peitsche wird das für dich erledigen!", schnauzte Tavus den Mann an.
"Ha, kaum befördert, schon ein Arschloch!", bemerkte der Angesprochene trocken, bevor sich die Männer lachend in die Arme fielen.
"Aber im Ernst, Tavus, meine Glückwünsche! Es hätte keinen Besseren und Würdigeren treffen können."
"Danke, Thuran, mein Freund!"
Beide Männer trennten sich kurz um ihre Pferde auf zu zäumen, bevor sie sich wieder vor dem Stallzelt des frischgebackenen Optio trafen.
Sie schlenderten, die Pferde am Zügel führend, gemächlich durch das noch dunkle Lager der Legion zum Appellplatz.
Dort wartete schon ein Offizier auf die Berittenen, bereit den Tagesbefehl aus zu geben.
Tavus würde nun zum ersten Mal seinen Zenturio, einen erfahrenen Veteranen, als dessen Stellvertreter zur Ausgabe der Befehle begleiten.
Entsprechend nervös war er, der junge Soldat, welcher aus ärmlichen Verhältnissen kommend eine ungewöhnlich schnelle und steile Karriere gemacht hatte.
Vom einfachen Legionär, der Sandalentruppe, hatte sich Tavus zur Kavallerie hoch gearbeitet. Als Reiter durfte er auch an den königlichen Wettbewerben teilnehmen.
Diese brachten den Siegern beträchtliche Summen und entsprechendes Prestige ein.
Tavus hatte nie gesiegt, dies war den Mitgliedern der Adelsschicht und den Söhnen der Politiker und Berater des Königs vorbehalten.
Doch seine Leistungen waren den Veteranen der schwarzen Legion, der Elite des Königs, aufgefallen. Selbige sorgten dafür, dass sein Name in der Schwarzen einen Klang bekam.
Und so kam es, dass er eines Tages vor seinen Tribun gerufen wurde, der ihm mit deutlichem Widerwillen und schroffen Worten seine Ankommandierung in die zitternde Hand drückte.
Nicht wenigen mißfiel diese Tatsache, da er trotz seines klingenden Namens zur Unterschicht Tarantias gezählt wurde.
Hier im Feld allerdings spielte Politik kaum eine Rolle und seine Vorgesetzten hatten seine Leistungen über seine Herkunft gestellt.
Bei der Kavallerie der schwarzen Legion wurde Tavus, wie alle Neuen, nur als Fohlen bezeichnet.
Die Fohlen wurden sogenannten "Stuten" zugeteilt, erfahrene Reiter und Krieger, welche den Neuen alles beibringen sollten was wichtig für sie war.
Als Fohlen hatte Tavus auch kein eigenes Pferd, sondern war für die Tiere seiner Stute zuständig.
Jeder Kavallerist hatte drei Pferde: Sein Haupfpferd, ein Ersatz und ein Tragtier für die persönliche Ausrüstung.
In den ersten Wochen lief das Fohlen mit dem Packpferd beim Tross, während die Reiter ihren Aufgaben nachgingen.
hatten sie die besonderen Manöver der Schwarzen erlernt, durften sie dann und wann auf dem Ersatzpferd mitreiten, was ein sehr großer Vertrauensbeweis war,
verzichtete doch der Veteran im Ernstfall so auf sein zweites Pferd.
Tavus wurde Thuran, dem Stygier, zugeteilt und versah seinen Dienst sorgfältig. Bald schon wurden sie Freunde, was von den Oberen auch so gewollt war.
Thuran war ein mehr als achtenswerter Kämpfer, hatte aber ein loses Mundwerk und wenig Ehrgeiz, weshalb er noch immer einfacher Soldat war.
Nach einem halben Jahr wurden Tavus eigene Tiere zugeteilt und er bekam einen festen Platz in der III. Zenturie, an Thurans Seite.
Seitdem waren 3 Jahre vergangen, in denen sich Tavus in mehreren Schlachten bewiesen hatte.
Er hatte sein Blut gegeben für die Schwarze und sie zahlte es mit Treue zurück.
Tavus wurde auf den Straßen Tarantias nicht mehr angespuckt, sondern ritt stolz erhobenen Hauptes durch die Stadt.
Von seinem Sold ging ein Teil an seine Familie, ein Teil an den Tempel Mitras und ein weiterer Teil an die Tavernen der Stadt.
Wie jeder anständige Legionär, stand Tavus auch beim Zechen seinen Mann und mehr als einmal musste sein Zenturio den Stadtwächtern gut zureden.
Und nun war er befördert worden!
Zum Optio, dem Stellvertreter des Zenturio der III.
Für einen Mann aus den unteren Schichten der Stadt bedeutete dies viel, denn der Rang öffnete ihm die Tür, eines tages Zenturio und damit Offizier zu werden.
Als Offizier der Schwarzen Legion wiederum konnte er sich darauf freuen, seinen Lebensabend im Adelsstand zu verbringen.
Alles wovon Tavus träumte, eine Frau, Kinder, ein gesichertes Leben in seinem geliebten Tarantia, all das war in greifbare Nähe gerückt.
Wenn er denn solange lebte...
"Zuhören, Männer!", drang die Stimme des Tribun durch Tavus´ Gedanken.
"Die Hauptaufgabe der Vi. Kohorte bleibt weiterhin die Sicherung der Grenze, während die Fußtruppen der VII. und IX. den aufständischen Dreckskerlen das Fell über die Ohren zieht."
Ein unwilliges Murren ging durch die Reihen der Zenturionen, welche den langweiligen Dienst an der Grenze ebenso satt hatten wie ihre Männer.
"Ja, ja, ich weiß! Aber beruhigt euch. Unser Tag wird kommen. In drei Tagen werden die Grashüpfer zurück beordert und übernehmen die Grenzsicherung.
Und dann läßt man uns los, um die Versprengten zu jagen, zu finden und bis in die hintersten Winkel zu treiben, wo wir sie dann an ihren Eiern aufhängen und ihren Weibern zeigen was
ein Hengst ist!"
Nun erscholl zustimmendes Gelächter und Beifall zu den harschen Worten des Tribun.
Mit einer energischen Handbewegung sorgte er für Ruhe.
"Und damit das klappt, will ich wissen was da drüben los ist. Also werden I bis III einen kleinen Spähritt jenseits der Grenze unternehmen."
Der Tribun öffnete eine in Leder gebundene Karte und bedeutete den Zenturionen der angesprochenen Einheiten näher zu treten.
"Die Erste folgt dieser Straße bis zu dieser Ortschaft da." er deutete auf einen Punkt der Karte.
"Ich will wissen ob wir dort ein Depot errichten können wenn es soweit ist. Schaut nach was es dort gibt und erregt so wenig Aufsehen wie möglich dabei.
Seid freundlich und nett, wer weiß ob wir die Leute da nicht noch brauchen werden. Die sind eh schon verschreckt genug, soweit ich weiß ist da die VII vor einer Woche durchgekommen."
Der Zenturio nickte knapp und ging zu seinen Männern. Wenige Momente später setzte sich die Einheit in Bewegung und stob Dreck spritzend der Straße nach.
"Die Zweite nimmt sich die Hügelkette im Westen vor. Beschissenes Gelände dort für uns. Steinig und schroff, eine Tortur für die Pferde. Wenn uns die Pisser Ärger
machen, dann von dort! Im Moment wird da Ruhe sein, die Front ist gut 20 Meilen weiter. Nutzt die Zeit und kundschaftet den Scheißladen dort aus.
Wir brauchen Pfade, Stellen zum treiben und Stellen wo uns Hinterhalte erwarten. Jedes Wissen spart Blut, denkt dran!"
Während auch die Männer der Zweiten abrückten, wandte sich der Tribun an Tavus und seinen Zenturio.
Ein abschätzender Blick maß Tavus vom Scheitel zur Sohle:
"Und diesem Fohlen vertraut ihr im Ernstfall meine geliebte Dritte an, Zenturio? Naja, euch kanns Wurscht sein, ihr seid dann ja tot!"
Der Zenturio nahm Haltung an und erwiederte:
"Jawoll mein Tribun. Dies ist Tavus Aquilla, Veteran vom Blutfelsen, sowie der Schlacht bei den Weizenfeldern. Er ist mein bester Mann und ich vertraue ihm mein Leben an!"
Nickend erhob sich der Tribun. Die Nennung der beiden ruhmreichen Schlachten war unnötig, denn selbstverständlich kannte der Feldherr die Leistungen des jungen Optio.
Schließlich hatte er dessen Beförderung unterzeichnet.
Aber als Ehemaliger der Dritten und Kavallerist konnte er sich die üblichen Plänkelspiele nicht verkneifen.
"Ich weiß, Zenturio. Und ich bin erfreut über eure Wahl. Meinen Glückwunsch, Optio Tavus Aquilla, möge Mitra euch geleiten auf eurem Weg!"
Tavus richtete sich, wenn dies noch möglich war, noch gerader und nahm die dargereichte Hand.
Doch bevor er etwas erwiedern konnte, hatte der Tribun sich bereits wieder der Karte zugewandt und zeigte auf einen markierten Punkt.
"Für meine Dritte und den neuen Optio habe ich eine besondere Aufgabe. Ihr folgt dem Fluß, bis zu dieser Stelle. Reitet schnell, ihr müsst vor dem Mittag dort sein!
Ihr werdet dort eine Furt finden. Die einzige für mindestens 10 Meilen. Sollten Aufständische aus dem Kampfgebiet der Neunten flüchten wollen, müssen sie mehr oder weniger da durch.
Und ich will einen von denen haben!
Der Punkt ist: Ich will nicht, dass jemand erfährt das wir einen haben."
Ernst blickt der Tribun auf:
"Ihr wisst was zu tun ist?"
"Ja, mein Tribun!"
"Gut. Dann reitet los. Feste Eisen und Mitra mit euch!"
Ja, auch Tavus hatte verstanden.
An diesem Tag würde nur ein Einziger lebend die Furt überqueren.