Schwarzer Lotus
"Isi! Komm' heraus zu uns!"
Der Ruf kam leise aus dem Vorgarten der Familie Shimish. Isphani Shimish, älteste Tochter der Händlerfamilie, hob den Kopf und sah von ihrer Lektüre auf. Sie las alles, was sie in die Finger bekam und meist war ihr sogar der Hausdiener dabei behilflich, weitere Bücher zu beschaffen. Schnell klappte sie das Buch zu und erhob sich von einem Kissen, um dem Ruf ihrer Eltern zu folgen.
Ihre Eltern standen mit Rashid Damaskwar an einem Holztisch. Der großgewachsene Mann schien mittleren Alters zu sein, gut gekleidet und offenbar wohlhabend. Der weinrote Turban um seinen Kopf verdeckte seine Haare völlig, sein Gesicht war gebräunt, die Augen dunkelbraun und die große Nase stark gebogen, so dass sein Gesicht einem Raubvogel glich. Seine Statur war eher kräftig und der weinrote Kaftan folgte kurz der Bauch-Wölbung, um dann wieder senkrecht herabzufallen.
Er musterte Isphani und nickte dann.
"Dann ist es abgemacht, Rashid?" sagte Isphanis Vater, streckte seine Hand aus und der Fremde schlug ein.
Das war also ihr Schicksal, dachte Isphani. Dafür war sie erzogen und ausgebildet worden. Es war eine große Ehre.
Sie freute sich. Die Eltern umarmten Isphani noch, dann verließen Rashid und Isphani das Haus. Eine Karawane würde sie von hier aus über Akif und Akhlat nach Akbitana bringen, man erwartete Rashid schon am westlichen Ausgang des Marktplatzes von Sultanapur.
Während der Reise im Karawanenzug erzählte Rashid von sich und seinem Haus in Akbitana und dass seine Familie dort auf ihn und natürlich sie, Isphani, wartete. Er hatte schon länger von den gut ausgebildeten Turanerinnen gehört und dafür die lange Reise in Kauf genommen.
Etliche Tage später erreichten sie ihr Ziel und Isphani erhielt ein eigenes kleines Zimmer und ihr Dienst in der Familie Damaskwar hatte begonnen.
Der schwarze Lotus roch aufdringlich, der Geruch war unverkennbar süßlich. Jeder draußen konnte es riechen, aber das war ihr egal. Isphani nahm einen weiteren Zug aus der Pfeife und inhalierte den Rauch tief, lehnte sich zurück und fiel auf ihre Kissen, Schweißperlen bedeckten ihr Gesicht und endlich fiel sie in einen betörenden Rausch und begann zu träumen.
***
Der metallische Geschmack auf ihrer Zunge, das Hitzegefühl auf ihrer Haut, die Kopfschmerzen und das eigentümliche Kratzen im Hals weckten Isphani. Ihr war zudem noch speiübel und sie schlug widerwillig die Augen auf. Da war Sand, Sonne und es war heiß. Sie begriff nicht, was hier geschah, denn sie lag weder in ihrem Zimmer im Hause Damaskwar noch zu Hause bei ihrer Familie in Sultanapur, keiner war hier, nur die Geier krächzten. Geier? Das hier war eine Prüfung ihres Herrn Rashid. So musste es einfach sein. Oder? Das war ein schlechter Traum.
Dann meldeten sich Übelkeit und Bauchkrämpfe in feiner Regelmäßigkeit. Sie hatte plötzlich schrecklichen Durst. Jetzt musste sie nur eines finden: Wasser, viel Wasser, kühles, klares, wundervolles Wasser. Mit diesem Gedanken erhob sie sich und fiel sogleich wieder in den heißen Sand, rappelte sich auf und taumelte. Steinplatten unter dem Sand, das musste ein Weg sein ... einen Fuß vor den anderen setzen... einen weiteren Schritt machen, und noch einen....
Wieder fiel sie mit dem Gesicht voran in den heißen Sand. Sie konnte nicht mehr, das Atmen fiel ihr immer schwerer, Sand drang in ihre Kehle und sich musste reflexartig husten und würgen, rappelte sich wieder auf, der Arm begann zu schmerzen.
Isis Blick fiel auf ein seltsames kleines Tier, welches sich ihr näherte.
Der Schleier vor ihren Augen versperrte die klare Sicht, bis ihr klar wurde, dass sie gar keinen Schleier trug. Sie trug überhaupt nichts.
Und noch eines wurde ihr klar: Sie träumte nicht.
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OOC: Die Regeln des Servers habe ich mir aufmerksam durchgelesen, verstanden und aktzeptiert.