Eine beklemmende Hitze machte es ihr von Sekunde zu Sekunde
schwerer ihren nackten Leib auf trägen Beinen durch die Wüste zu tragen.
Unbarmherzig und ohne Gnade trafen die konstanten Strahlen der emporstehenden
Sonne ihren Schädel. Wie lange sie schon unterwegs war? Das konnte sie beim
besten Willen nicht mehr genau sagen. Vielleicht eine Stunde? Möglich wären jedoch
auch Zwei. Hier ähnelte jeder Stein dem anderen. Jeder Hügel aus Sand dem nächsten und selbst
die charakteristischen Spuren im Sand, die der spärlich aufkommende Wind
hinterlassen hatte, wollten sich nicht von einander unterscheiden. Die Wimpern
klebten, die Knöchel schmerzten und der Mund schmeckte trockener als die unfruchtbare
Wüste, in der man sie zum Sterben ausgesetzt hatte. Sie würde hier sterben. Sie
dachte nie daran einsam zu sterben, niemanden an ihrer Seite zu wissen, keinen
bei sich zu haben, der ihre Hand bis zum Schluss fest hielt. Der Gedanke
schaffte ein klemmendes Gefühl in ihrer Brust, raubte ihr sichtlich den Atem
und schaffte es schlussendlich dass die Frau ins Stehen kam.
„Du wirst eines Tages eine große Kriegerin! Jemand, der unseren Clan mit Stolz erfüllt und die nächste Generation prägt.“
Sasha lauschte einer plötzlich auftauchenden Stimme und drehte sich augenblicklich in eine Richtung um. Doch niemand war zu sehen. Als sie realisierte, dass ihr Verstand ihr soeben versuchte einen Streich zu spielen, sind ihre Augen vor Schock geweitet. Nichts an den gehörten Worten war wahr. Sie war nie eine große Kriegerin. Sie schaffte es gerade so alleine eine Keule zu schwingen, ohne größeren Schaden anzurichten. Sie sah sich selbst nicht für etwas Großes bestimmt. Lieber verweilte sie im Hintergrund, sammelte und stärkte auf diese Weise das Überleben ihres Clans. Das war ihr Weg, das war ihre Bestimmung. Und nun stand sie als Verbannte in dieser Wüste und sah ihrem eigenen Tod entgegen. Sie wollte es nicht so enden lassen, konnte es nicht so enden lassen. Sie klammerte sich an einen geringen Funken Lebenswillen und begann erneut einen Schritt vor den nächsten zu setzen. Eine unerwartete Härte breitete sich auf ihrem Gesicht aus während sie trostlos umher wanderte. Die Blasen an den Fußsohlen spürte sie kaum noch. Auch ihr Hungergefühl und der ungestillte Durst, welche sie so lange begleiteten, verstummten. Sie existierte nicht länger als Mensch mit Bedürfnissen. Sie schottete sich ab, um den harten Gegebenheiten die Stirn zu bieten.
Kämpfe
Schwach tasteten ihre Finger über kühles Gestein. Ihre Hände zitterten während sie hinter einem hohen Felsen Schutz suchte um sich zu sammeln. Die Sonne erreichte sie an diesem Ort nicht, konnte keinen Einfluss auf sie nehmen und dieser Tatsache war Sasha im Augenblick unglaublich dankbar. Sie überlegte hier zu bleiben. Sie war offensichtlich nicht die einzige mit dieser Überlegung. Ein lebloser Körper, teils verwest, saß neben ihr an den Stein gelehnt am Boden. Der vorherige Gedanken wurde mit einem erschöpft aber wütenden Schnaufen zur Seite geschoben. Sie war so ausgelaugt dass die Anwesenheit des Toten ihr kaum eine Zuckung in der Mimik abringen konnte. Behutsam kniete sie sich hin und vergriff sich an dem Toten. Sie zog ihm die Lumpen von den Beinen und suchte nach möglichen Waffen oder gar einem Trinkschlauch. Ihre Suche blieb erfolglos. Einzig und allein die Lumpen fanden Verwendung an ihren Beinen um ihren Unterleib Schutz zu bieten. Träge rückte sie wieder hinter dem Felsen hervor, lächelte der Sonne halbherzig zu und setzte ihre aussichtslose Reise fort.
Atme
Die geschwächten Knie gaben unter ihrem Gewicht nach und so knallte sie hart auf dem Boden auf. Mit ausgestreckten Armen schaffte sie es ihre Handflächen dazu zu nützen, wenigstens ihren Oberkörper oben zu halten, um nicht mit dem kompletten Körper auf dem Boden aufzukommen. Ungebremst rutschte sie ein Stück nach vorne, ihre Finger vergruben sich dabei im Matsch und als sie das nächste Mal ihre Augen öffnete, stockte ihr der Atem vor Erstaunen. Die Hitze, die so lange auf ihrer Haut klebte, rückte mit einem Schlag in weite Ferne.
„Wasser?“ ihre Stimme erklang so hauchdünn und schwach. Sie traute ihren eigenen Augen nicht. Das konnte nicht sein. Woher? Warum? Eine ungeheure Gier überkam sie und kurz darauf formten sich ihre geschwächten Hände zu einer Schale, mit der sie das Wasser schöpfte und bis hoch zu ihrem Mund hielt. Ein lautes Schlürfen folgte. Immer mehr Wasser floss ihre Kehle hinab und verschaffte dem müden Körper neue Kraft. Sie konnte es nicht glauben. Das musste ein Traum sein. Das es kein Traum war wurde ihr spätestens bewusst als sie ihren Kopf ein Stück hob und dadurch einen klaren Blick auf ihre Umgebung werfen konnte. Eine blühende Oase erstreckte sich vor ihr. Grün traf auf Blau, Lebewesen auf Botanik und selbst die Luft schmeckte nach Leben. Halbtot und vom Leben gezeichnet wirkte ihre Anwesenheit wie ein Störfaktor auf die blühende Umgebung ein.
„Ich muss mich beeilen…ich muss…“ ihr Flüstern erstickte in Stille. Eine greifbare Ratlosigkeit schimmerte in ihrem Blick auf welcher schlussendlich ihre Hände traf. Die Blasen waren noch gut zu sehen. Sie musste sich sammeln. Sie musste einen Ort finden um sich auszurasten. Sie benötigte schleunigst eine Waffe um sich gegen kommende Gefahr zu schützen. Sonst wäre alles umsonst gewesen. Ihr ganzer Kampf wäre umsonst gewesen.
Überlebe
Mit dem linken Handrücken streifte sie sich die letzten Tropfen Wasser an den Lippen fort. Sasha wollte sich soeben erheben als die Bewegung in ihrer Erstehung starb. Sie zog den Kopf ein und richtete den Blick ans andere Ufer des Flusses nachdem sie dort eine Bewegung ausmachen konnte. Jemand war dort. Ihre Augen engten sich minimal um besser sehen zu können. Die stattliche Distanz machte es ihr jedoch schwer. So prasselten die Details nur angedeutet auf sie ein. Sie sah einen Mann von durchschnittlicher Größe und braunen, schulterlangem Haar. Seine drahtige Gestalt konnte sie vermerken, jedoch nicht sein Gesicht. Sie konnte nicht ausmachen ob sein Gesichtsausdruck freundlich gesinnt war oder doch auf einer feindlichen Basis ruhte. Seine Lederrüstung machte wenig Eindruck, dafür das sichtbare Schwert an seiner Seite, umso mehr. Oh wie sehr beneidete sie ihn jetzt dafür. Sie wollte all das was der Fremde auf der anderen Uferseite bereits besaß. Eine Waffe, eine Rüstung und einen Trinkschlauch. Noch während sie sich aus ihrer knienden Position nach oben drückte um zu stehen, wurde der Fremdling mit haltender Faszination beobachtet. Sie dachte nicht mehr an die nahe Umgebung sondern blendete diese komplett aus. Sie war jung, töricht und unvorsichtig. Und dafür wurde sie jetzt vom Schicksal gnadenlos bestraft.
„Halt! Bleib wo du bist!“ eine Stimme wurde links vor ihr laut. Sasha lenkte ihren Blick zügig in die Richtung aus der die unbekannte Stimme kam. Sie wollte sich lediglich davon vergewissern dass niemand dort stand, sondern es ihr Verstand war, der ihr erneut versuchte den Boden unter den Füßen fort zu ziehen. Genau wie einige Stunden zuvor in der Wüste. Nur dieses Mal lag sie falsch.