Name: Victoria da Savilla, Tochter des Kaufmanns Juan-Rodrigo da Savilla und seiner Ehefrau Antonia da Savilla, Geb. Garcia
Ethnie: Zingarianer
Alter: 16 J.
Berufung vor "der Wüstensache": Dienerin von Mitra, angehende Priesterin
Kapitel I
Die Prüfung Mitras
Schwere Weihrauchdämpfe erfüllten die große Halle aus weißem Stein. Auf dem Altar lagen farbenprächtige Blumen, duftende Kräuter und frisches Obst. Heute war Victorias großer Tag, und der von gut zwei weiteren Dutzend junger Frauen und Männern. Ein Fest zu Ehren des Allgerechten, zu Ehren Mitras und ein weiterer Schritt zu ihrem begehrter Ziel: Der offiziellen Priesterschaft. Schon seit ihrem zehnten Lebensjahr, seit das schlanke Mädchen mit dem pechschwarzen Haar und den saphirblauen Augen dem Tempel beiwohnte, bereitete man sie auf diese Rolle vor. Sittsamkeit, Ehrlichkeit mit sich selbst und anderen, Frömmigkeit, Abstinenz, all das verlangte große Willenskraft in einer sonst so wilden und ruchlosen Welt. Mit geschlossenen Augen und gesenkten Häuptern, standen die Jugendlichen in der großen Halle aus weißem Stein in Reih und Glied still da. Sie sprachen im Stillen seit Stunden ihre Gebete, während der Schweiß ihnen die, mit einfachem farblosen Leinen züchtig bedeckte, Haut hinunterlief. Der augenscheinlich schlichte Tempel lag an der Küste Zingaras und die frische Meeresbrise erfüllte von Zeit zu Zeit ihre Sinne, versuchte sie alle lockend abzulenken, versprach eine Freiheit von großer Weite, Abenteuer, erste lustvolle Romanzen und auch etwas, was Mitra nicht geben konnte: aufbrausendes Adrenalin.
Victorias Augen zuckten ab und an, mit Mühe hielt sie sie geschlossen, mit noch größerer Mühe atmete sie leise, ohne auch endlich einmal kräftig Luft zu holen. Der Großteil der Novizenschaft waren hyborianischer Abstammung, sie selbst kam aus einer zingarianischen Familie. Ihr Vater gab sonst nicht viel auf die Götter, lobpreiste er sie doch nur bei einem gewinnbringenden Handel. Und dann waren solch Kleinigkeiten, wie Namen und Gebete, für ihn nicht von Belang. Victoria war alt genug um zu verstehen, dass er sie damals aus reinem Eigennutz in den Tempel schickte: Welcher Geschäftspartner würde die Ehrlichkeit eines Kaufmanns bezweifeln, dessen Tochter bekanntermaßen dem Herrn der Wahrheit diente? Als Zehnjährige empfand sie ihren Umzug allein an die Küste, zum Tempel Mitras, als eine Bestrafung. Als eine einzige Verbannung, für eigentlich ungewollte Kinder. Sie weinte die ersten beiden Nächte hindurch und setzte sich morgens mit geröteten Augen und trotzigem Blick zu den anderen Jungnovizen, bekam die ersten Lehrstunden nicht einmal wirklich mit und spürte nur Wut in sich. Nach einigen Wochen erschöpfte sie der eigene Widerwille, konnte sich nicht länger einsam fühlen und so begann sie, den Worten der alten Priester zu lauschen: Ein jedes Leben ist wertvoll. Ein jedes Leben ist zu achten. Ein jedes Leben unterliegt der höheren Ordnung, der Gerechtigkeit des weisen Allvaters Mitra. Diese Sätze gaben ihr etwas, was ihre eigenen egozentrischen Eltern versäumten: Das Gefühl von Wert zu sein. Sie war gut, ein gutes Kind. So lange sie sich an die Regeln hielt, war sie wertvoll und rein. Die Regeln bestimmte natürlich einzig und allein der Herr aller Ordnung Mitra, auf weltlicher Ebene musste sie sich anfangs mit seinen Stellvertretern, den alten Priestern des Tempels, begnügen. Und so geschah es, dass das Mädchen, das schon immer vergeblich nach der Aufmerksamkeit ihrer Eltern hungerte, begann in Mitra selbst einen Vater zu sehen, eine aufmerksame Familie die sich kümmerte.
"Bitte... Bitte... Bitte..." - erklang es leise zur Rechten Victorias. Es war Selene, ihre beste Freundin und gleichzeitig ihr größtes Laster, eine einzige Ablenkung. Ob sie für die Armen betete oder doch nur darum, nicht gleich vor Hunger in Verbindung des verführerischen Obstgeruchs ein lautes Magenknurren von sich zu geben? Victoria konnte bei dem Gedanken gerade noch so ein sichtbares Schmunzeln unterdrücken. Sie waren alle noch so jung und in einer Lebensphase, in der Körper und Geist sich gern mal der eigenen Kontrolle entzogen. Sie vernahm die Gebete der alten Priester, es musste bereits Abend sein. Endlich waren sie erlöst und durften sich gleich rühren! Die Novizen waren dabei ihre Haltung zu lockern, die Augen zu öffnen und mit Freude obhin des eigen dargereichten Opfers zu lächeln.
Dann folgten die Schreie und es wurde dunkel...