"Eine weitere Verbannte, wahrscheinlich unschuldig und zu unrecht verurteilt, wie all die anderen die ich vom Kreuz gepflückt habe, hehe."
Sprach der alte Mann mit kratziger Stimme und steckte sein Messer wieder zurück in die Tasche, nachdem er Celaine die Fesseln durchgeschnitten hatte.
Erschöpft sank Sie zu Boden und strich sich die Haare von der schweißbedeckten Stirn.
Unter der Kapuze seiner zerschlissenen Robe zeichnete sich ein unheimliches Grinsen ab, während er sie unverhohlen beäugte.
"Du bist fern deiner Heimat Kindchen, Cimmerien, habe ich Recht?
Weißt du wo wir uns befinden?"
Celaine nickte, noch immer schweigend.
"Gut.
Hier gibt es viele Menschen die dem Wahnsinn anheim gefallen sind, viele die dich essen wollen oder schlimmeres."
Er schmunzelte.
"Sieh dich also vor, sonst wirst du nicht lange überleben, wäre doch schade, um das junge Fleisch."
Nachdem er die Worte aussprach und sie dabei ansah, fuhr ihr ein kalter Schauer den Rücken hinunter, trotz der sengenden Hitze der Wüste.
Sie kannte diesen Blick, es war der Blick eines Mannes, der noch nicht zu alt war sich ihres Leibes zu bemächtigen oder es zumindest zu versuchen.
Seine Bewegungen und die breiten Schultern die sich unter seiner Robe abzeichneten, waren gewiss nicht so gebrechlich wie er vorzugeben versuchte.
Doch während sie sich innerlich schon auf einen Kampf einstellte, warf er ihr einen Wasserschlauch vor die Füße und wendete sich von ihr ab.
"Vielleicht sehen wir uns wieder Kindchen.
Wenn die Gründe deiner Verbannung stimmen, solltest du dich hier gut zurecht finden, hehe."
Wortlos schaute sie ihm hinterher, wie er Düne um Düne hinter sich ließ.
Erst als der Mann nicht mehr zu sehen war, schnappte sie sich das Wasser und stürzte es hinunter.
Celaine, saß noch eine Weile dort und grübelte über die Worte des unheimlichen Mannes nach.
"Unschuldig."
Sie zerknüllte das Papier auf dem ihre Anklage geschrieben wurde.
"Eine Ketzerin nennen Sie mich, bloß weil ich nicht an ihre Götter glaube?
Ist der Mensch nicht frei?
Frei zu entscheiden was er tut und an was er glaubt?
Zumindest wenn man kein Sklave ist und ich bin ja keiner.
Eine Diebin nennen Sie mich, und wenn schon?
Was ist schlimm daran zu stehlen um zu überleben?
Ja, vielleicht habe ich es ein wenig übertrieben aber nur ein bisschen, jeder Mensch sehnt sich doch nach etwas Luxus.
Eine Mörderin nennen Sie mich, was ist schon dabei?
Wer hat noch nie getötet?
Es sind harte Zeiten und manchmal ist es einfach unumgänglich, vor allem wenn man dafür gut bezahlt wird."
Langsam rappelte sich Celaine auf und versuchte die unnützen Gedanken abzuschütteln.
Sie warf einen letzten Blick auf das Kreuz und dann auf die Umrisse der Berge und den fremdartigen Bauten des versehrten Landes vor ihr.
"Vermutlich hing ich zurecht daran, doch nun ist es wohl zu spät für Reue.
Ich kann hier sterben, wie die anderen."
Missmutig blickt sie auf die Kreuze in der Nähe, auf manchen hingen noch die ausgedörrten Leichen der Verbannten.
Seufzend tat sie ihre ersten Schritte, um die Wüste hinter sich zu lassen.