Der Blick hängt schwer auf dem Tal, wo sich gerade die ersten Sonnenstrahlen verteilen und die Dunkelheit der Nacht vertreiben. Der Flusslauf fällt ins Auge, die unzähligen Wasserfälle, der grüne Streifen, der mehr als nur die Tiere dieses Gefängnisses ernährt. Es hat friedvollen Charakter, wie die Natur und seine Geschöpfe erwachen und den neuen Tag begrüßen.
Die Türe knarzt leise beim Öffnen, leichtfüßig tritt eine Sklavin heran, stellt eine kleine Tasse auf der Balustrade des überdachten Balkons ab und entfernt sich beinahe ungehört und ungesehen wieder. Einen wirklichen Blick hatte Inara auch nicht für dieses Geschöpf, welches seinen Wert noch zu beweisen hatte. Aber zumindest aufmerksam schien sie zu sein, denn der Schluck den sie aus dem Tongefäß nahm, sprach für das Können dieses jungen Dingens.
Die dünnen Stoffe schmiegen sich an den müden Leib der Priesterin und bedecken nahezu jede Hautpartie, nimmt man Hände und Gesicht aus. Es gibt wenig Dinge, die ihr wirklich am Herzen liegen. Zarana steht vor allem und vor jedem, dann folgt der Glaube, der ihr erst Pech und letztlich Glück bescherte. Dann sind da natürlich Annehmlichkeiten, welche sie lange missen musste und nun wieder begehren durfte: Häufiges Baden, der Luxus von Körperpflege, ein eigenes Schlafgemach mit Bett, eigener Besitz und Schüler, welche sie in den Lehren der großen Schlange unterrichten konnte.
Ein jener Schüler war es auch, der die Glocke zum morgendlichen Gebet schlug und die Priesterin dazu brachte, die Tasse wieder abzustellen, in die Sandalen zu schlüpfen und wenig später den Balkon zu verlassen. Erst am goldenen Setschrein angekommen, ebenfalls ein Geschenk des Despoten, übergab sie die Tücher einer Sklavin und ließ sich im Gegenzug die goldene Schale reichen, mit welcher sie sich vor den Stufen postierte.
Während sie die glorreichen Zeilen rezitierte und die folgsamen Anhänger sie wiederholten, schien die morgendliche Sonne bereits prall auf die Betenden herunter. Unbarmherzig, wie die große Schlange selbst es ebenfalls ist. Stimmen sie in den Abschluss ein, der mit ‘ehre Set’ gegeben ist, gießt Wüstenblume den Inhalt der goldenen Schale rituell in die vorgesehene Vertiefung. Kurz hat es den Anschein, als würden die Augen der Schlangen rot aufleuchten, der Eindruck schwindet aber genauso rasch, wie das Blut im Schrein selbst verschwindet.
Mit zwei Fingern, welche die Schale auswischen, streicht sie das Symbol der großen Schlange auf ihrer nackten Brust nach, wobei sie ab und an neu ‘Farbe’ aufnehmen muss. Zuletzt reicht sie ihre rechte Hand nach rechts, besonnen reinigt eine ihrer Schülerinnen die Fingerspitzen, während sie sich bereit machen, den Tempelberg zu verlassen. Von hinten bekommt sie die Stoff umgelegt, während von vorne die Zeichnung auf ihrer nackten Haut zu erkennen bleibt.
Zu ihrer nackten Haut trägt sie sonst nur die Sandalen und den goldenen Schmuck, der ihren Stand verrät. Von Brustwarze zu Brustwarze verlaufen durch Ringe zwei Ketten, die ihre Zugehörigkeit zur großen Schlange symbolisieren. Erst unten, am Fuße des Berges und an der Badestelle, welche ebenfalls ein Geschenk war, endet die kleine Prozession bestehend aus Frauen und Wachen.
Erneut werden ihr die Stoffe abgenommen und sie steigt an einer Matte aus den Sandalen. Nackt wie sie geschaffen wurde, betritt sie das Reich, setzt sich auf eine der Bänke und gibt sich der Waschung ihrer Schüler hin. Nur nach und nach schwindet das Menschenblut von ihrem Körper, während der Blick zumeist auf den Wasserfall gerichtet bleibt.
Ihre Gedanken sind fern, unter anderem bei Erzfeinden die von Haus aus gegeben sind und nun zu Verbündeten werden, von vermeintlichen Verbündeten, die zu Feinden werden könnten und zu dem immer wiederkehrenden Gefühl der Sorge, welche Verantwortung für geliebte Geschöpfe mit sich bringt.
“Herrin?” Aus ihren Gedanken gerissen bei dem Wort, schaut Inara zu dem Geschöpf das sie anspricht, gar etwas wütend. “Ihr müsst jetzt aufstehen, damit wir die Waschung beenden können.” beeilt sich das Mädchen zu sagen und die strengen Züge der Priesterin glätten sich unter den Worten rasch. Auf die Füße stellt sie sich, lässt die Luft entweichen und sehnt dann doch den Rauch von Gelblotus herbei. Als wäre schon Abend und es Zeit, sich derlei zu gestatten.