Auf einem Stuhl hatte sich die Priesterin des Set niedergelassen, die langen schlanken Beine von sich gestreckt und den Blick in die Ferne über die Balkonbrüstung gerichtet. Nichts an diesem Ort hieß sie Willkommen, sieht man von ihrem Diener und dem weichen Bett ab, das hier oben in der Kammer seinen Platz hatte. Es war ein Ort voller Glauben für Mitra und dennoch gerade einzige Rückzugsmöglichkeit für sie, ehe sie die Rückreise angehen würden. Miôs kniete vor ihr und hielt bereits den rechten Fuß in seinen Händen, welchen er zuvor gereinigt hatte und sich nun einer ausgiebigen Massage mit Öl widmete. Ihm lag daran ihr Entspannung zu kommen zu lassen und doch gelang es nicht zur Gänze. Er sah es an ihrem abwesenden Blick und es provozierte ihn.
Aber ihre Gedanken waren bei der Reise, welche sie von den Eisenwölfen und ihrem Wolfsfelsen herüber zum Mitraberg geführt hatte.
Zum Wolfsfelsen brachte sie das Präsent mit, welches für Thanathan gedacht war und welches ihr der Schmied und Häuptling mitgab. Nur konnte sie Thanathan nicht mehr in der Feste antreffen und entschloss kurzerhand das Präsent dort zu übergeben, auf dass diese merkwürdig nützliche Männerfreundschaft weiterhin bestand haben sollte. Wüstenblume badete in der Abneigung der Leute wie andere in einem Flusswasser und es schmeichelte ihr. Der Schmied ließ sich nicht blicken und es war vielleicht auch besser so, denn er war immer und überall eine Ablenkung, denn der Wunsch ihn zu unterdrücken war übermächtig in ihr. Ihn zu Füßen und ihr Triumph wäre grenzenlos.
Aber es waren auch Freunde anwesend: Dschamal, dem sie eine besondere Aufgabe zukommen ließ, in dem Wissen er würde sich darum kümmern können. Karduum, den sie vermisst hatte, ihn und seine besondere Art, ihr Aufmerksamkeit zu schenken. Dson Faimon, ein Mitragläubiger Baumeister und Architekt, der mit dem Schwert geschickt war, aber mit einer Behinderung diese Karawane leitete und Thanathan, der zukünftige und rechtmäßige Herrscher der Verbannten, wenn denn ihre Pläne alle aufgingen. Es waren aber auch neue Gesichter da, welche sie noch nicht gänzlich zuordnen konnte und mit denen sie sich auch nicht weiter beschäftigen wollte - noch schienen sie für sie keinen Nutzen zu haben. Das Gift ihrer Augen provozierte dennoch Streit.
Sie versprach in der Nähe Thanathans zu bleiben, mit dem Wissen das Miôs ihr ohnehin niemals und zu keiner Zeit von der Seite weichen würde. Ihre Ängste waren gering, ihr Glaube groß und so zog die Karawane alsbald los. Vorbei an der unheiligen Stadt mit den dunklen acheronischen Bauwerken. Das spürbare Böse hinterließ seine Spuren und sie mussten alsbald die Vorräte an Nahrung und Wasser auffüllen. Auch in der Oase angekommen gab es keine Ruhe. Ein Sandsturm kam auf und sie fühlte sich beinahe wie in ihre Kindheit versetzt. Sie waren keine Seltenheit in Stygien und ein Jeder der dort lebte, wusste damit umzugehen. Dennoch hielt sie sich zurück und ließ die Gruppe einen Weg finden damit umzugehen, letztlich schafften sie es auch, ehe ein Disput aufkam. Die Priesterin der großen Schlange sorgte sich nicht um Dschamal, sie wusste dass dieser überleben würde, nicht nur wegen dessen Erfahrung, sondern auch weil er eine Rolle zu spielen hatte und die große Schlange lange noch nicht fertig mit ihm wahr.
Und dann erklangen sie: Die Trommeln des Todes, welche die entzündeten Feuer begleiteten und die Rufe der Krieger untermauerten. Rasch bewegte die Gruppe sich und man spürte wie diese Tiere hinter ihnen herhetzten und sie jagten. Wege waren versperrt und es gab nur zwei Möglichkeiten: Durch die verfluchte Stadt oder einen Tunnel.
Und dort, in dem Tunnel, da kam er tatsächlich, so wie ihr großer Gott es prophezeite. Aber hatten sie schon ein Herz? Dschamal verneinte, aber sie sah seine schmerzliche Entschlossenheit und sie wusste, das er jetzt und hier ein Leben opfern würde, so wie er es versprochen hatte. Also sank sie auf die Knie, offenbarte eine aus Menschenhaut geschaffene Unterlage und stellte darauf eine Schale aus reinem Silber, in welches sie Zutaten gab. Der Singsang war Lob auf ihren Gott und Einladung, seine Augen und Fänge auf diese missliche Lage zu lenken und um seine Unterstützung zu betteln, wie es nur die ehrwürdigen Diener tun konnten. Und da war es, noch heiß, als es in ihre Hand gelegt wurde und kurz glaubte sie noch, den letzten Schlag jenes Herzens zu spüren. Der metallene Geruch von Blut stieg ihr in die Nase und plötzlich wurde alles um sie herum schrecklich still. Tulak Rar wollte Thanathan und alles was sie wollte war die große Schlange zufrieden stellen.
Auch nahm sie den schwarzen Ritualdolch und stach ohne jegliche Kompromisse in das warme Muskelfleisch, hindurch bis in ihre Handinnenfläche, wo sich das Blut mit jenem des Herzens vermischte. Gemeinsam tropfte es in die Schale, wo die Kräuter und Substanzen gemeinsam mit dem Blut der Hohepriesterin und des Herzens ein Gemisch zusammenbrachte, das ätzender und gefährlicher nicht sein konnte. Sie wusste dass sie nicht viel Zeit hatten und so ließ sie sich einen Pfeil geben, tauchte die Spitze in die Flüssigkeit aus rotem Gemisch, auf das die Spitze plötzlich und unerwartet grün aufloderte und so Bereitschaft signalisierte. Dennoch brauchte es einen fähigen Krieger sie abzufeuern und so verließ sie ihre Hände. Miôs brachte sie auf ihre Beine zurück, denn er sah dass sich die Utensilien verflüchtigten und er wusste auch, dass es nun aufs Ganze zu ging.
Der Pfeil flog und traf. Der Nekromant wurde zurückgeworfen. Das erste Mal überhaupt konnte man ihm körperlich beikommen und der Triumph überflügelte beinahe die drohende Katastrophe. Wäre Miôs nicht gewesen, sie wäre unfähig gewesen ihr zu entkommen. Kurzerhand von den Beinen gehoben trug er sie, wich den Trümmerteilen aus und wollte unbedingt und absolut ihr Leben bewahren.
Das gleißende Licht allerdings, die Gestalt, Dsons Schwert - es war Mitra der sich zeigte und versuchte der allmächtigen Schlange die Bühne zu rauben. Er war es dann aber auch, welcher die Gruppe durch das Flammenmeer geleitete und sie vor den Trümmern bewahrte. So rasch wie alles geschah, so schnell endete es auch und ihnen blieb nichts als weiter zu laufen und die schützenden Mauern des elenden Gottes aufzusuchen.
Dort saß sie jetzt, erschöpft und dennoch beseelt.
Es waren seine mutigen Lippen, welche sie aus ihren Gedanken rissen und einen Moment wirkte es auf Miôs, als würde sie ihn von sich wischen wollen. Stattdessen aber erhob sie sich und bettete den müden Körper auf das Bett, wo sie ihn zu sich beorderte, um die Kunst seiner Finger in Anspruch zu nehmen und sich die nötige Entspannung zu verschaffen. So versäumte sie es auch in ihrer tiefsten Zufriedenheit, ihn wieder aus dem Bett zu schicken und auch Miôs erhielt dann an diesem frühen Morgen eine kleine Belohnung.