Seit gestern werde ich morgens von Glocken geweckt.
Und das zu einer Zeit, zu der jeder normale Mensch schläft.
Dankenswerter Weise schläfern mich die Jünger des Set dann mit ihren stumpfen, eintönigen Gesängen schnell wieder ein.
Ja, es ist ein Tempel entstanden, genau neben meiner Schmiede.
Schaue ich in meiner Kammer aus dem Fenster, dann sehe ich quasi einer Schlange ins Auge.
Nun, als ich meinem Vater davongelaufen bin, habe ich vieles, um nicht zu sagen das Meiste, zurückgelassen.
Zu den wenigen Dingen die ich bewahrt habe, gehört mein Glaube.
Und an welchen Gott sollte der Sohn eines Schmiedes glauben, wenn nicht an Chrom, den Gott des Stahls?
Auch wenn Chrom Gebete und Rituale nicht mag, so hat ein Schmied doch ein besonderes Verhältnis zu ihm, denn wir unterwerfen den heiligen Stahl unserem Willen,
zwingen ihn durch kraftvolle, aber präzise Schläge in die gewünschte Form.
Das behagt mir so, weil ich es mit dem Glück ähnlich halte.
Nicht umsonst sagt man "Ein jeder ist seines Glückes Schmied".
Auch das Glück will unterworfen und gezwungen werden.
Bei einem Gott um Glück und Gunst betteln, das ist für die Schwachen und Zögerlichen, die dann die Schuld bei ihrem Gott suchen, wenn es ihnen versagt bleibt.
Und die Rituale!
Gelobt sei Chrom, der auf derartiges verzichtet.
Es sei mir verziehen, aber mir scheint, manchen Göttern steht er nur, wenn man ihnen kübelweise Blut und Innereien über ihre Altäre kippt.
Man möge mich hier nicht falsch verstehen, ich habe rein gar nichts gegen solche Rituale, solange ich nicht beteiligt bin.
Und so ein kleiner Fetisch ist ja auch nicht zu verachten. "Jedem Tierchen sein Pläsierchen", wie der Dichter sagt.
Aber wenn ich persönlich nach heißer Liebesnacht mit der Dame in ein kühlendes Bad steige, dann um in zärtlicher Vollendung den durch Wollust vergossenen
Schweiß gegenseitig von den erhitzten Körpern zu waschen.
Und nicht als unbedingtes Muss, weil ich mich ansonsten ununterbrochen übergeben müßte, stinkend nach Blut und Pis.....LASSEN WIR DAS!
Da vergeht selbst mir die Lust.
Ihr findet ich schweife allzu oft in das Frivole ab?
Nun, wer auch immer ihr seid, der diese Zeilen gefunden hat und sie nun liest, lasst mich euch eines sagen:
Ihr seid ein elender Heuchler!
Derlei Gedanken sind euch ebenso wenig fremd wie die Sache selbst, und die genießt ihr ebenso häufig wie ihr nur könnt.
Ihr wagt es nur nicht aus zu sprechen was ihr euch in geheimsten Gedanken wünscht und genießt lieber in gespielter Empörung die Gedanken, welche ich euch in euer Hirn pflanze.
Und seid gewiss, ihr kennt noch nicht den Bruchteil.
Trotzdem, der Set-Tempel neben mir stört mich kaum.
Wohl auch weil ich die Schlange durchaus respektieren kann, ja, sie ist mir sogar sehr ähnlich:
Sie ist weise genug nicht blind an zu greifen, sondern schätzt ab ob es sich lohnt und wie hoch das Risiko ist.
Wenn die Gelegenheit gut ist, dann packt sie aber schnell und unbarmherzig zu.
Und wenn sie einmal zugepackt hat, dann windet sie sich um das Opfer und lässt es erst aus, wenn sie der Beute sicher ist.
Dieses Verhalten kann ich nachvollziehen und respektieren.
Trotzdem schließe ich nachts meine Kammer ab.
Denn wenn ich eines über Schlangen weiß dann dass man sich ihnen mit Vorsicht nähert...
Ansonsten wächst und gedeiht Seebrugge.
Besonders Dschamal scheint ein zwar stummer, aber dafür umso begabterer Handwerker zu sein, welcher geradezu unermüdlich am arbeiten ist.
Nahezu täglich entsteht neues und ich muss eingestehen, dass mir die Schmiederei mehr und mehr Spaß macht.
Barloran schleppt Material heran wie ein Lastkamel, Neretwar hilft ihm dabei und Crovan trägt Lasten die manchmal schon unmenschlich wirken.
Es ist ein gutes Gefühl hier zu sein.
Ach ja, ich habe herausgefunden was gelber Lotus ist und wofür man ihn verwenden kann.
Meiner Treu.... Daran könnt ich mich gewöhnen.
Barloran und Dschamal haben einige hundert Stück gesammelt.
Leider sind die für die Priesterin reserviert, das haben mir die beiden sehr deutlich gemacht.
Und Dschamal benutzte dazu einige anatomisch ebenso interessante wie beängstigende Gesten.
Es ist beeindruckend wie bildhaft und deutlich der Mann sich ohne ein Wort ausdrücken kann.